Tolle Saison – aber was nun?
Petterweiler Zukunft nach dem geplatzten Titeltraum unklar
Detlef Ernst stand für einen kurzen Augenblick regungslos in der Launsbacher Sporthalle Nachdenklich starrte der Trainer des Handball-Landesligisten TV Petterweil auf die Anzeigetafel, wo in dicken roten Lettern die -19:30-Niederlage seines Teams beim frischgebackenen Meister und Oberliga-Aufsteiger HSG Wettenberg dokumentiert wurde. »Das Ergebnis ist zu hart«, befand der Übungsleiter später, als er seine Wort wiedergefunden hatte: »Wir haben verdient verloren, waren aber nicht elf Tore schlechter.« Eine realistische und angemessene Beurteilung. Aber schlechter waren die Karbener Vorstädter zumindest an diesem Tag in der Gesamtbetrachtung schon. Die HSG stellte mit Sascha Puhl einen ausgezeichneten Shooter mit einem exzellenten Überblick und ein Torwartduo, das zwar in die Jahre gekommen sein mag und auf den ersten Blick für ambitionierten Sport ein bisschen unaustrainiert wirken mag Doch was der 44-jährige Martin Risse phasenweise parierte, verdiente wirklich das Superlativ sensationell.
Wettenberger Dynamik ausschlaggebend
Interessant war der Vergleich zwischen dem Spitzenreiter und seinem ärgsten Verfolger auch deswegen, weil es auch ein Aufeinandertreffen der Philosophien war. Petterweils Erfahrung zu Gast bei der Wettenberger Jugendlichkeit - mit Ausnahme der Torhüter versteht sich. Wettenbergs 21-jähriger Puhl gegen den routinierten Martin Peschke vom TVP die Unterschiede waren phasenweise erkennbar. Denn natürlich wurde Petterweils Abgezocktheit immer wieder mit guten Aktionen und schönen Treffern belohnt. Doch letztlich war es die Dynamik der Mittelhessen, die ausschlaggebend war. »Alle meine Spieler haben noch ein großes Entwicklungspotenzial. Deswegen ist mir vor der Oberliga überhaupt nicht bange«, meinte Meistertrainer Eckhard Mack direkt nach dem Spiel. Der ehemalige Hüttenberger Bundesliga-Spieler gab sich auch überrascht: »Niemals hätte ich geglaubt, dass wir gegen diese tolle Petterweiler Mannschaft so klar gewinnen. Der TVP hat eine sehr clevere und erfahrene. Truppe. Da ist es brutal schwer zu bestehen. Sicher hat auch ein bisschen die Fitness dazu beigetragen, dass wir das Spiel gewonnen haben.« Mack legte in der Spielvorbereitung im besonderen Maße Wert auf absolute Disziplin: Am Montag wurde eigens eine Konditionseinheit durchgeführt, um fit ins Spiel zu gehen. »Wir wussten, dass unsere Jugend ein Vorteil sein kann. Petterweil hat viele Spieler, die bereits in der Regionalliga gespielt haben. Dennoch war klar, dass wir körperlich Vorteile haben können, wenn auch hier und da noch deutlich die Athletik fehlt«, meinte Mack.
Ruppert: »Haben verdient verloren«
Ähnlich sahen es auch die Petterweiler Spieler. »Wir haben verdient verloren, weil Wettenberg viel agiler und schneller war: Das muss man anerkennen«, sagte später auch Jens Ruppert, der aber im Moment der größten Enttäuschung gleich wieder die Contenance fand: »Unsere Saison war dennoch stark.« Damit sprach er den tollen TVP-Fans aus der Seele. Mit einem Bus waren die Schwarz-Gelben nach Launsbach gefahren, um unter den knapp 700 Fans für eine tolle Stimmung zu sorgen. Ausgestattet mit Trommeln und Megaphon, sorgten die Wetterauer für einen hohen Lautstärkepegel über 60 Minuten. »Wir sind sehr stolz auf unser Team. Die Jungs haben eine tolle Saison gespielt«, war der allgemeine Tenor aus dem Fanblock trotz der Klatsche im entscheidenden Spiel durchweg positiv.
Eine noch tollere Saison haben nur die Wettenberger gespielt. Mit 3:7 Punkten aus den ersten fünf Spielen gestartet (darunter eine Niederlage gegen Södel), konnte die Mack-Truppe das Ruder herumreißen. Die Zielsetzung vor der Saison lautete Rang fünf bis sieben - nun ist es der Titel.
»TVP-Jungs vielleicht überfordert«
Wie unterdessen die Petterweiler Zukunft aussieht, blieb direkt nach dem Schlusspfiff unklar. Ernst gab sich als fairer Verlierer und beglückwünschte Mack kurz und herzlich. Vielleicht war er in diesem Moment auch ein bisschen neidisch: Denn während Mack ein zukunftsfähiges Team auf der Platte hatte, spielte beim TVP am Samstag auch die Vergangenheit. Noch ist nicht klar, wie es mit den Routiniers und teilweise schon einmal reaktivierten Leistungsträgern wie beispielsweise Jörn Olbrich weitergeht. »Und die Jungen sind solchen Aufgaben noch nicht gewachsen, sind in manchen Situationen vielleicht etwas überfordert«, sagte Ernst am Samstag nicht das erste Mal. Auch im Torwartbereich wird sich etwas tun müssen.
Titel nicht nur am Samstag verloren
Drei Null-Punkte-Wochenenden in Folge stehen nun nach 23:24 in Hüttenberg und dem 25:29 gegen Ober-Eschbach für den TVP zu Buche. »Aber wir haben die Punkte, die uns zur Meisterschaft fehlen, nicht nur jetzt am Saisonende verloren. Wir haben zu viele Zähler gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte verloren, beispielsweise zwei Niederlagen gegen Dilltal oder das Remis in Anspach«, sagte Jens Ruppert.
Tiefstapler Detlef Ernst freute sich dennoch in der Gesamtbetrachtung der Saison erstmal über den Klassenerhalt - den er in den vergangenen drei Jahren immer zum obersten Ziel erklärt hat, bis rechnerisch wirklich nichts mehr schief gehen konnte. Die starke Ausbeute bislang: zwei dritte Plätze. Nun soll es bitteschön die Vizemeisterschaft werden, denn auf Rang drei mit einem Punkt Rückstand lauert ausgerechnet der Lokalrivale aus Ober-Eschbach. »Es wäre das dritte Mal in Folge, dass wir die TSG hinter uns lassen. Das ist eine große Motivation für den letzten Spieltag«, meinte Ernst. Am Samstag ist der TVP zuhause gegen die TSG Eddersheim ebenso Favorit wie die Ober-Eschbacher (zuletzt acht Siege in Serie) beim nächsten Jahr wieder auf Bezirksebene agierenden TSV Södel.
Vielleicht ging Ernst aber auch schon die Zukunft im Kopf herum, als er für einen Moment ins Leere starrte. Jedenfalls kommt auf die Petterweiler Verantwortlichen eine Menge Arbeit zu, um das Niveau im Team zu halten und junge Talente zu integrieren.
Jan M. Strasheim / Michael Wiener
Wetterauer Zeitung vom Dienstag, 10. Mai 2011
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